Jan Kopp: Quellen - ein Windspiel
nach einer Windkalligraphie von Kees Tillema
für Klavierterzett (2024, Uraufführung der Fassung für Soloklavier und Zuspiel)
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Tillemas Windkalligrafien aus der Serie "Wind, Wasser, Wege" beziehen Naturvorgänge in die Malerei mit ein.
Ein Pinsel wird in einer vom Künstler erdachten Konstruktion im Freien installiert. Vom Wind bewegt, malt der Pinsel die Bilder.
Die Komposition Quellen bezieht sich auf eines dieser Bilder. Der Titel meint Unterschiedliches: den Wind die Quelle der Inspiration (lat. inspirare = einhauchen)
ebenso wie das Ineinanderfließen der drei Klaviere zu einem gemeinsamen Klangfluss.
„Zunächst habe ich die Kalligraphie von Kees Tillema ausgemessen und ein Raster darübergelegt, welches das Auslesen von musikalischen Informationen
wie Tonhöhen und Dauern erlaubt. Das Blatt aus der Serie "Wind, Wasser, Wege", das ich als Vorlage für meine Komposition ausgewählt habe,
hat einen abwechslungsreichen, charakteristischen Verlauf und verspricht eine klare musikalische Form über einen Zeitraum von ca. 15-20 Minuten.
Beim Komponieren verwende ich ein musikalisches Modell, das ich in zwei kürzeren Studien bereits erprobt habe: Drei Klaviere setzen immer
hintereinander (im Abstand von ca. 8 Sekunden) ein, spielen eine kurze Sequenz und wiederholen diese bis zu ihrem nächsten Einsatz. Das Zusammenspiel ist nur
lose koordiniert, so daß sich in der Überlagerung der drei Klaviere Rhythmen, Harmonien und Polyphonien ergeben, die in ihrer Komplexität ein Produkt des
Zufalls sind - wie das Geflecht der Pinselgesten in den Windkalligraphien von Kees Tillema.
Dabei ergibt sich ein eigenartiger Widerspruch: Eigentlich ist die Kalligraphie ja ein Produkt des ungreifbaren und chaotischen Elements Wind,
als Bild auf dem Papier aber eindeutig und klar strukturiert. Im Komponieren beziehe ich mich auf dieses stabile Bild, um daraus eine eindeutige Partitur mit
klaren Anweisungen für die Aufführung zu gewinnen. Im Zusammenspiel der drei Klaviere jedoch verwandelt sich diese Partitur zurück in eine b
ewegliche, 'volatile' Klangstruktur, die der Zufall durchweht.
Das naturhaft aus dem Moment Geborene des Windes führt über die künstlerische Graphik vom Bild in die Musik,
wo es sich wieder ins naturhaft im Moment Geborene des Klangs verwandelt. Die Brücke zwischen den Künsten bilden die Instrumente von Maler
(der Windpinsel) und Komponist (die drei Klaviere) und ihre besondere Weise, diese zu handhaben. Gibt es eine übergreifende ästhetische Idee, die beide verbindet?
Ja, es ist die Vorstellung einer 'informellen' Kunst. Einer Kunst, die aus Gesten erwächst und in der die Flüchtigkeit des Prozesses wichtiger
ist als die Schaffung unwandelbarer zeitloser Formen."