Kölner Musiknacht 2015
Konzert - Initiative Musik und Informatik Köln - GIMIK e.V.
Kunststation St. Peter, 19.9.2015, 19 Uhr

Siegfried Koepf: Zwei Stücke für Klavier (1990)
Jovita Zähl, Klavier

Alan Fabian: Harmonia für einen Yamaha-Flügel CP70 mit digitaler Echtzeitklangsynthese (2015)
Manuela Klöckner-Marseglia, Yamaha CP70
Video: Andreas Klöckner

zu den Kompositionen:

Alan Fabian

(Aus: Alan Fabian, Eine Archäologie der Computermusik, Kadmos 2013)
Die durch TIMAIOS vorgetragene Idee der Weltseele und der Harmonie, »daß die ganze Welt Harmonie und Zahl« sei, findet sich in JOHANNES KEPLERs 1619 im Druck herausgegebener Schrift zu seinen astronomischen Untersuchungen mit dem Titel Weltharmonik wieder.
Daraus sind die folgenden Zitate entnommen.

Sein wissenschaftliches Leben lang hatte KEPLER darauf hingearbeitet, die Übereinstimmung der »himmlischen Sphären« und der musikmathematisch bestimmten Harmonie ausgehend von PLATONs sog. TIMAIOS-Reihe rechnerisch zu erfassen.
Sein Harmoniesystem besteht aus zweierlei »Wesen« von Harmonien, zum einen aus dem »sinnlichen« und zum anderen aus dem »intelligiblen« (»reinen«).
Die sinnliche Harmonie hat grundsätzlich immer einen »sinnlichen Träger« nötig, ohne den diese nicht in der Welt ist - in der Musik der Ton oder die Töne. Die sinnliche Harmonie setzt bezogen auf Musik die Bedingungen voraus, dass es mindestens zwei Töne sind, die sich zueinander verhalten, dass es eine die Tonabstände »zählende« und »vergleichende Seele« gibt, die die Tonverhältnisse einzuordnen weiß, dass weiter das Verhältnis dessen, was Harmonie ist, eindeutig vorgegeben ist, und die akustischen Erscheinungen »in das Innere« des Menschen oder allgemeiner noch aller Lebewesen übertragbar sind.
Die »urbildliche« Harmonie setzt, wie auch schon die sinnliche Harmonie, »Bezugsglieder« voraus, jedoch sind die Verhältnisse dieser in Zahlen codiert und in die Seele eingeboren, im Eigentlichen die Seele selbst.

KEPLER beschreibt die Seele im Sinne eines auf sich selbst bezogenen, metaphysischen Dings/Wesens, das seine harmonisch geordneten »Bezugsglieder« an sich selbst vergleicht:
»So vollendet die einfache Vergleichung, die die Seele gleichsam zwischen ihren eigenen Teilen anstellt, das ganze Wesen der urbildlichen Harmonie. Die Seele selber steht, indem sie diese Tätigkeit vollbringt, als Harmonie vor uns [...]. So wird schließlich die Harmonie völlig zum Geist, ja zu Gott.«

Die Harmonie ist in KEPLERs Harmoniesystem nicht schon immer in der Welt, sondern vielmehr erzeugt die Seele Harmonie durch Weltvermessung.
Dass die Welt harmonisch beschaffen ist, zeigt sich entsprechend nur mittels sinnlicher Wahrnehmung an sinnlich wahrnehmbaren Verhältnissen. Die Seele fügt das sich zueinander Verhaltende zur Harmonie zusammen, verwandelt die Quantität der Zweiheit in eine Qualität der Einheit. So wird die Harmonie zur Qualität der quantitativen Proportion, oder - musikalisch ausgedrückt - die Konsonanz, die Harmonie in der Musik, ist eine Qualität der Proportion: »[...] Das heißt also, daß durch die Harmonie die Quantität eine Qualität erhält, Meßbares wird zu seelisch Erlebbarem. Ordnung als Relation zwischen Quantitäten hat eine - wenngleich auch nur in der menschlichen Seele existente - Qualität: die Harmonie.«

Siegfried Koepf

In den späten 1980er Jahre begann ich, verschiedene Klassen von Klängen mit besonderen Eigenschaften zu erforschen, zu berechnen und letztlich als kompositorisches Material zu erschließen.
Zwei Stücke für Klavier war eine meiner ersten Kompositionen, die im Kontext dieser Untersuchungen entstand. Die Stücke sind harmonische Prozesse, in denen Klänge mit kategorisch ausgeschlossenen Intervallen kontinuierlich und fast unmerklich ineinander überblendet werden, bis am Ende ein gegebenes Material in vollem Umfang entfaltet wurde. Die Konstanz dieses Vorgangs steht gleichsam statisch der ständigen Veränderung gegenüber.