Der antwortende Raum

Antwort erhält, wer fragt, horcht, forscht. Musik als fließendes Spiel zwischen Aktion und Reaktion ist von Aufmerksamkeit, inniger Vorsichtigkeit, Achtsamkeit gekennzeichnet, ähnelt dann mehr einer Fragestellung, als einer eindeutigen Aussage. In diesem Sinne befindet sich die Klangwelt Cage's in unmittelbarer Nähe zum kaum fixierbaren Melos urchristlichen Gesangs, der sich ehedem als das "ganz andere" allem damals bekannten entzog und auf etwas bezogen war, auf dessen Antwort man hörte.

Ich fange an, die alten Klänge zu hören, als wären sie nicht verbraucht

Wolfgang Fulda «Cybernetics II»: Ausschnitte aus einer Cage-Lesung («45' for a speaker») eingespeist in ein Netzwerk aus 8 Zufallsgeneratoren, die sich gegenseitig beeinflussen – simultan gespielt: Cage's «One» für Klavier

Ich habe nichts zu sagen und ich sage es

Wolfgang Fulda «4 Vocalisen» für Stimme und Elektronik: In den Kirchentonarten des Mittelalters konnte eine große Zahl fein abgestufter Seelenzustände jenseits des Dur- Moll- Dualismus Ausdruck finden. Auf der Suche nach solchem emotionalen Reichtum entfaltet jede der vier Vocalisen einen dieser Modi in dem ihm eigenen Charakter. Während die Singstimme mit den vielfältigen Möglichkeiten der dynamischen Melodiebildung spielt, ist der jeweilige Modus in der umgebenden 8-Kanal- Installation als Klangraum zeitlos glitzernd gegenwärtig. Die reine, also nicht temperierte Stimmung der einzelnen Tonstufen gründet auf einem festen Oktav- Quint- Quart- Rahmen, den aber, anders als im Mittelalter – in den Stufen II, III, VI und VII – je spezifische "Naturintervalle" ausfüllen. Die Transposition aller vier Modi auf einen gemeinsamen Grundton läßt ihre unterschiedliche Farbigkeit deutlich hervortreten.

Während einige Dinge sich verändern, tun es andere nicht

Alan Fabian: «Object Rotatoire»: Eine akustisch-virtuelle Installation möchte ich hier projizieren, in der ein Objekt rotiert und Leben innerhalb dieser objekthaften Skulptur simuliert wird. Künstliches Leben, elektroakustische Organismen, die über die Spannschrauben und Saiten im Flügel flitzen, ständig die Bewegungsrichtung ändern, quietschend, kreischend, kratzend, an den Metallteilen im Innenraum des Flügels nagend, über die Saitenstege hüpfend, und die Klangwelt des Klaviers assimilierend.
Objet rotatoire verbindet ein Rotationsprinzip mit dem sogenannten genetischen Algorithmus und ist das Produkt konsequent angewandter algorithmischer Komposition.
Der genetische Algorithmus ist in der Programmiersprache Lisp formuliert und als Package in OpenMusic (IRCAM Software) implementiert.
Die Rotation bestimmt den den formalen Ablauf, die inhaltlichen Strukturen basieren auf dem genetischen Algorithmus. Das Darwinsche Modell der Evolution wird konsequent sowohl auf die elektroakustische Zuspielung, als auch auf den instrumentalen Part angewendet. Der genetische Algorithmus ezeugt dabei erstaunlich organische Interpolationen von einem Initialisierungs-Zustand (Initial-Population) und einem Ziel-Zustand (Fitness-Funktion). Selektion, Vererbung und Mutation spielen dabei von Generation zu Generation die entscheidende Rolle. Die resultierenden Daten werden durch ein Netzwerk von musikalischen Parametern geleitet und entscheiden über kompositorische Details innerhalb dieses vom Komponisten streng determinierten Netzwerkes.

(grau unterlegt: Zitate aus John Cage «Silence»)